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Erzieherische Hilfen, Adoptionen, Pflegschaften, vorläufige Schutzmaßnahmen und Gefährdungseinschätzungen in Niedersachen (Teil I) - Methodische Hinweise

Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN)


Frau im Hintergrund fügt Balken zu einem Diagramm im Vordergrund hinzu Bildrechte: LSN

I.1 Erzieherische Hilfe, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte junge Menschen, Hilfe für junge Volljährige

Die Kinder- und Jugendhilfe wird in drei voneinander unabhängige Leistungsarten unterschieden:

Erzieherische Hilfe (§§ 27 bis 35 SGB VIII)

Anspruch auf erzieherische Hilfe haben in der Regel Eltern, beziehungsweise Personensorge- oder Erziehungsberechtigte, auch wenn das Kind oder die/der Jugendliche, sprich die oder der zu „Erziehende“, die Leistung bezieht. Die erzieherische Hilfe basiert grundsätzlich auf § 27 SGB VIII und wird nach Maßgabe der §§ 28 bis 35 SGB VIII oder ausschließlich auf Basis von § 27 Abs. 2 SGB VIII durchgeführt. Zielgruppe dieser Leistungen sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Eingliederungshilfe bei (drohender) seelischer Behinderung (§ 35a SGB VIII)

Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche bei seelischer Behinderung oder einer drohenden seelischen Behinderung ist eine eigenständige Leistungsform unabhängig von § 27 SGB VIII, also keine erzieherische Hilfe. Die Leistung wird jedoch ebenfalls häufig in ambulanter oder in stationärer Form vergleichbar den erzieherischen Hilfen, zum Beispiel in einem Heim, erbracht.

Die Zuordnung der Hilfeart erfolgt nach dem Leistungsparagraphen, gemäß dem die Hilfe gewährt und abgerechnet wird. Wird neben der Eingliederungshilfe oder in Verbindung mit ihr auch eine erzieherische Hilfe bewilligt, werden beide zur Statistik gemeldet.

Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII)

Junge Volljährige sind im Gegensatz zu Leistungen der erzieherischen Hilfe selbst der Anspruchsberechtigte gemäß § 41 SGB VIII. Erbracht werden kann die Hilfe in einer der Formen der §§ 28 bis 30, 33 bis 35 SGB VIII bzw. auf Basis von § 27 Abs. 3 SGB VIII. Eine Eingliederungshilfe bei drohender oder bestehender seelischer Behinderung ist ebenfalls für junge Volljährige (in der Regel nur bis Vollendung des 21. Lebensjahres) möglich.

Die „Hilfe für junge Volljährige“ ist nicht als eigenständige Hilfeart aufgelistet, eine Zuordnung zur Statistik erfolgt ausschließlich über das Alter.

I.5 Statistik der Adoptionen

Nimmt ein Ehepaar ein Kind oder ein Ehegatte ein Kind des anderen Ehegatten durch eine Adoption an, so erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten (§ 1754 BGB). In den anderen Fällen erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines Kindes der/des Annehmenden. Während die Adoption eines Kindes oder Jugendlichen oftmals mit Veränderungen in der Lebenssituation und der Trennung von leiblicher Mutter bzw. Herkunftsfamilie verbunden ist, wird häufig durch Adoptionen durch Stiefeltern oder nahe Verwandte nur die rechtliche Konsequenz aus einer bereits bestehenden familiären Bindung gezogen.

Bei der Adoptionspflege soll eine Adoption in der Regel erst erfolgen, nachdem die oder der Annehmende das Kind eine Zeit lang in Pflege hatte. Sie ermöglicht den Familiengerichten eine Prognose darüber, ob die Adoption dem Wohl des Kindes dient. Mit dem Einwilligen der leiblichen Eltern in eine Annahme ruht die elterliche Sorge und das Jugendamt wird für die Dauer der Adoptionspflege Vormund für das Kind.

I.6 Statistik der Pflegeerlaubnis, Pflegschaften, Vormundschaften, Beistandschaften, Sorgeerklärungen, Maßnahmen des Familiengerichts

Die Amtsvormundschaft ist eine vom Jugendamt ausgeübte Vormundschaft, bei der die elterliche Sorge von einem Dritten, dem sogenannten Vormund, ausgeübt wird. Kinder und Jugendliche benötigen beispielsweise dann einen Vormund, wenn ihre Eltern als eigentliche gesetzliche Vertreter entweder gestorben sind oder die elterliche Sorge zum Beispiel aufgrund eines Sorgerechtsentzuges nicht mehr ausüben dürfen oder im Falle einer Adoptionsfreigabe wollen. Zudem erhalten Kinder minderjähriger Mütter, die nicht mit dem Vater des Kindes verheiratet sind, einen Vormund.

Bei der Amtsvormundschaft wird zwischen der bestellten und der gesetzlichen Amtsvormundschaft unterschieden. Eine bestellte Amtsvormundschaft tritt meist durch den Entzug der elterlichen Sorge ein, eine gesetzliche Amtsvormundschaft bei einem Kind einer minderjährigen Mutter, die nicht mit dem Vater des Kindes verheiratet ist oder wenn Eltern ihr Kind zur Adoption freigeben. Eine Amtsvormundschaft erstreckt sich auf die gesamte elterliche Sorge, also die Personensorge und die Vermögenssorge.
Eine Amtspflegschaft ist eine vom Jugendamt ausgeübte Pflegschaft, die der Fürsorge in persönlichen und wirtschaftlichen Belangen einer Person dient. Im Gegensatz zur Vormundschaft umfasst die Pflegschaft nur eine Wahrnehmung bestimmter Teile der elterlichen Sorge. Daher schließt eine Amtsvormundschaft die Aufgaben der Amtspflegschaft mit ein. Unter bestimmten Umständen können eine Amtspflegschaft und Amtsvormundschaft nebeneinander bestehen.

Bestellte Amtspflegschaften sind nur nach ausdrücklicher Anordnung eines Familiengerichts rechtskräftig.
Gesetzliche Amtspflegschaften wurden im Zuge der Reform des Beistandschaftsgesetzes zum 1. Juli 1998 in Beistandschaften umgewandelt.
Eine Beistandschaft ist die Unterstützung eines alleinerziehenden, sorgeberechtigten Elternteils auf dessen Antrag durch ein Jugendamt. Beistandschaften können beispielsweise zur Feststellung einer Vaterschaft und/oder zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen beantragt werden und sind
daher von Erziehungsbeistandschaften (§ 30 SGB VIII) zu unterscheiden.

I.7 Statistik der vorläufigen Schutzmaßnahmen

Die Statistik der vorläufigen Schutzmaßnahmen wurde im November 2015 mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher neu geordnet. Hintergrund der Gesetzesänderung war ein verstärktes Aufkommen unbegleitet eingereister Minderjähriger in den Jahren 2014 und 2015. Ziel der Neuregelungen durch den Gesetzgeber waren eine dem Kindeswohl entsprechende Behandlung und eine gleichmäßige bundesweite Verteilung der betroffenen Minderjährigen. Dazu wurde mit der vorläufigen Inobhutnahme gemäß § 42a SGB VIII eine Maßnahme für unbegleitete Einreisen geschaffen, die der gegebenenfalls anschließenden „regulären“ Inobhutnahme gemäß § 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII vorangestellt ist.

Eine vorläufige Inobhutnahme nach § 42a SGB VIII greift also, sobald eine unbegleitete Einreise eines ausländischen Kindes oder Jugendlichen in die Bundesrepublik festgestellt wird. Im Zuge der Maßnahme werden den Minderjährigen dann Unterhalt und Krankenhilfe gewährt. Weiterhin werden verschiedene Sachverhalte geprüft, zum Beispiel wo sich Familienangehörige aufhalten und ob eine Übergabe an ein anderes Jugendamt mit dem Kindeswohl vereinbar ist (vgl. dazu § 42a – f SGB VIII). Halten sich Erziehungs- oder Sorgeberechtigte nicht im Inland auf, leitet das Jugendamt üblicherweise nach der vorläufigen eine „reguläre“ Inobhutnahme nach unbegleiteter Einreise (§ 42 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII) ein. In dieser wird die Problemsituation erklärt und nach geeigneten Hilfen gesucht.

Die Einführung der vorläufigen Inobhutnahmen gemäß § 42a SGB VIII in die Datenerhebung führte zur Änderung der Statistik. Die Ergebnisse ergänzen seit dem Berichtsjahr 2017 die Angaben zu den regulären Inobhutnahmen nach § 42 SGB VIII. Sie fließen vollständig in das Gesamtergebnis ein. In der Statistik werden seit 2017 – je nachdem, ob eine unbegleitete Einreise vorliegt oder nicht – drei verschiedene Fälle an Inobhutnahmen unterschieden:

  1. vorläufige Inobhutnahmen nach unbegleiteter Einreise aus dem Ausland,
  2. „reguläre“ Inobhutnahmen nach unbegleiteter Einreise aus dem Ausland und
  3. „reguläre“ Inobhutnahmen, aufgrund von dringenden Kindeswohlgefährdungen oder auf Bitte der Kinder.

I.8 Gefährdungseinschätzungen nach § 8a SGB VIII

Ein Jugendamt kann in der Gesamtbewertung der Gefährdungssituation vier Gründe angeben. „Kindeswohlgefährdung“ ist anzugeben, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes/Jugendlichen eingetreten oder mit hoher Sicherheit zu erwarten ist, ohne dass diese Situation von den Sorgeberechtigten abgewendet wird oder werden kann. Kann das Jugendamt die Frage nach einer tatsächlich bestehenden Gefahr nicht eindeutig beantworten, besteht aber der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung oder eine solche kann nicht ausgeschlossen werden, handelt es sich um eine „latente Kindeswohlgefährdung“. Weiterhin kann ein Jugendamt zu dem Schluss kommen, dass zwar keine direkte Gefährdung für das Kind, aber ein Hilfe- oder Unterstützungsbedarf besteht. Die vierte Option besteht darin, dass weder eine Kindeswohlgefährdung noch ein Hilfebedarf vorliegt.

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