Herr Lehmann
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Handlungsorientierte Sozialberichterstattung Niedersachsen (HSBN)
Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN)
Wie viele Menschen sind von Armut gefährdet und wie viele sind auf Mindestsicherungsleistungen angewiesen? Wie hoch ist dabei das Ausmaß der Kinderarmut und wie entwickelt sich die Altersarmut in Niedersachsen? Wie ist der Bildungsstand der Bevölkerung und wie stark belasten Wohnkosten die Ausgaben der Haushalte?
Antworten auf diese und viele weitere soziale Fragen finden sich im Statistikteil der Handlungsorientierten Sozialberichterstattung Niedersachsen (HSBN).
Armutsgefährdung und gesellschaftliche Wandlungsprozesse in Niedersachsen im Fokus
Zentraler Begriff in der Handlungsorientierten Sozialberichterstattung Niedersachsen (HSBN) ist die „relative Armut“, in Niedersachsen und damit einhergehend die Armutsgefährdung. Als armutsgefährdet gilt danach, wer weniger als 60 % des durchschnittlichen Haushaltsnettoeinkommens zur Verfügung hat. Mehr zur Berechnung lesen Sie in den methodischen Hinweisen.
Anhand der Zahl der Menschen, die auf existenzielle Hilfen des Staates angewiesen sind und Mindestsicherungsleistungen beziehen, wird zudem die „bekämpfte Armut“ betrachtet. Die HSBN ist jedoch nicht nur eine Berichterstattung über Armut beziehungsweise Armutsgefährdung, sondern sie nimmt die Gesellschaft insgesamt in den Blick. Sie stellt dabei grundlegende gesellschaftliche Strukturen und Wandlungsprozesse dar.
Das Themenspektrum ist deshalb breit und umfasst unter anderem folgende Bereiche:
- Demografie
- Familienstrukturen
- Wirtschaft und Arbeitsmarkt
- Bildung und Qualifikation
- Einkommen und Vermögen
- Armutsgefährdung
- öffentliche Finanzen
- öffentliche Sozialleistungen
- Zivilgesellschaft
Alle diese Themenbereiche hängen eng miteinander zusammen und müssen daher ganzheitlich betrachtet werden.
Beispielsweise hat die Möglichkeit der öffentlich geförderten Kinderbetreuung Einfluss auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und trägt damit zu einer höheren Erwerbsbeteiligung besonders von Müttern bei. Dies führt nicht zuletzt zu höheren Haushaltseinkommen und verringert das Armutsgefährdungsrisiko.
Neben Armut wird auch Reichtum in der HSBN dargestellt. Aufgrund der begrenzten Datenlage beschränken sich bei diesem Thema die Erkenntnisse jedoch auf weniger detailreiche Eckzahlen und Entwicklungen.
Im Rahmen der Berichterstattung über Armut und Reichtum veröffentlicht das Landesamt für Statistik Niedersachsen jährlich in den Statistischen Monatsheften den Bericht Armutsgefährdung in Niedersachsen, der die Entwicklung der Armuts- und Reichtumsquoten in Niedersachsen anhand von Tabellen und Grafiken darstellt und mit den Ergebnissen der anderen Bundesländer vergleicht.
Auf der Seite Fachbeiträge können die seit 2008 erschienenen Berichte im PDF-Format kostenfrei heruntergeladen werden.
Soziale Lage und Armutsgefährdung von Kindern und Jugendlichen in Niedersachsen als Schwerpunkt der HSBN
Auch wenn in der Berichterstattung die gesamte Gesellschaft betrachtet wird, so ist der Blick schwerpunktmäßig auf den Aspekt Armut und Armutsgefährdung gerichtet und hier besonders auf betroffene Kinder und Jugendliche in Niedersachsen. Die Armut der Kinder und Jugendlichen ist dabei nicht nur unter monetären Gesichtspunkten zu betrachten, sondern als ein Mangel an Verwirklichungschancen zu sehen. Kinder und Jugendliche, die von materieller Armut betroffen sind, leben oft in Familien, in denen die Eltern beispielsweise arbeitslos sind oder ein sehr geringes eigenes Einkommen beziehen. Zudem besteht häufig ein Zusammenhang zwischen Einkommensarmut und Familienformen sowie dem Migrationshintergrund. So ist die Armutsgefährdungsquote beispielsweise bei Alleinerziehenden und Familien mit mehreren Kindern höher als bei verheirateten Paaren mit einem Kind.
Daneben liegt ein Augenmerk auf dem Thema Altersarmut in Niedersachsen. Altersarmut hat im Langfristvergleich zugenommen und zwar stärker als die Armutsgefährdung allgemein. Insbesondere Frauen im Alter von 65 Jahren und mehr sind in Niedersachsen überdurchschnittlich von Armut bedroht.
Die Handlungsorientierte Sozialberichterstattung als Grundlage für Akteurinnen und Akteure der Armutsbekämpfung
Die HSBN hat die Aufgabe, allen Akteurinnen und Akteuren in Politik, Verwaltung, Verbänden und gesellschaftlichen Initiativen die sozialpolitisch nötigen Daten und Hintergrundinformationen zur Verfügung zu stellen. Dies gilt im Bund-Länder- und im Regionalvergleich sowie vergleichend für jede Region, jeden Landkreis, jede Stadt und Gemeinde.
Beteiligung der Sozialverbände und kommunalen Spitzenverbände
Herausgegeben wird die HSBN vom Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, welches das Landesamt für Statistik Niedersachsen (LSN) mit der Erstellung des Statistikteils beauftragt hat. Beteiligt daran ist eine Lenkungsgruppe bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern des niedersächsischen Sozial- und Bildungsressorts, der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände und der Arbeitsgemeinschaft der Familienverbände in Niedersachsen. Die Erscheinungsweise ist jährlich, so dass der Bericht immer ein aktuelles Bild der sozialen Lage in Niedersachsen wiedergibt.
Nutzung amtlicher Datenquellen zur Beschreibung der sozialen Verhältnisse
Die HSBN nutzt fast ausschließlich Daten der amtlichen Statistik, ergänzt um Daten der Bundesagentur für Arbeit und anderen zumeist amtlichen Quellen. Sie werden für Zwecke der Sozialberichterstattung daraufhin untersucht, ob sie Aufschluss über soziale Verhältnisse geben können. Die HSBN stützt sich dabei auch auf die Erkenntnisse der Arbeitsgruppe „Sozialberichterstattung der amtlichen Statistik“ der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder.
Darstellung der sozialen Verhältnisse in Niedersachsen auf regionaler Ebene
Ein Grundprinzip der Handlungsorientierten Sozialberichterstattung ist die Regionalisierung. Niedersachsen ist ein Land der Regionen, die zum Teil sehr unterschiedliche Strukturen und Entwicklungen aufweisen. Dies gilt auch auf der Ebene der Landkreise, Städte und Gemeinden. Vor diesem Hintergrund legt die HSBN größtes Gewicht auf die Darstellung von regionalen Informationen für die kreisfreien Städte und Landkreise. Die Region Hannover sowie die Landkreise Göttingen und Hildesheim werden nicht nur als Ganzes, sondern zusätzlich differenziert nach Stadt und Umland ausgewiesen. So können die Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Strukturen besser herausgearbeitet werden.
Oft wird ein großräumiger Vergleich der 16 Länder benötigt, so dass auch für diese und Deutschland insgesamt die wichtigsten Eckdaten dargestellt werden. Wenn ein europäischer Vergleich notwendig ist, bedarf es der Darstellung der Daten auf Ebene der sogenannten Statistischen Regionen. Sie sind im europäischen Vergleich und für die europäische Regionalpolitik die wichtigste regionale Ebene. In Niedersachsen entsprechen die Statistischen Regionen den Gebieten der vier ehemaligen Regierungsbezirke und damit denen der gegenwärtigen Ämter für regionale Landesentwicklung.
Anlagenbericht der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege als Ergänzung zum Statistikteil
Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (LAG FW) – Teil der Lenkungsgruppe der HSBN – steuert als Ergänzung des Statistikteils der HSBN seit 2015 einen Anlagenbericht mit wechselnden Themenschwerpunkten bei. Die jährlichen Berichte stellen die Entwicklungen besonderer gesellschaftlicher Herausforderungen dar und zeigen, was soziale Probleme und Armut für die betroffenen Menschen in Niedersachsen bedeutet. Der jährliche Anlagenbericht beschreibt Hintergründe, Abläufe und Zusammenhänge von sozialer Arbeit und gibt Handlungsempfehlungen. Themen waren unter anderem Hilfe und Schutz für von Gewalt betroffene Frauen (2020), Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Einrichtungen und Dienste der Freien Wohlfahrtspflege (2021), Kinderarmut (2022) und zuletzt Auswirkungen der Inflation, insbesondere die Preissteigerungen bei den Energiekosten.
Wichtige Ergebnisse der HSBN
Mit 1,37 Millionen Menschen galt 2022 in Niedersachsen jede beziehungsweise jeder Sechste als armutsgefährdet. Die Armutsgefährdungsquote von 17,1% lag dabei in etwa auf dem Bundesniveau (16,7%).
Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren waren wie in den Vorjahren zu mehr als einem Fünftel von relativer Einkommensarmut betroffen und unter den jungen Erwachsenen bis unter 25 Jahren etwa ein Viertel. Dabei hängt die Höhe der Armutsgefährdung in Familienhaushalten von der Anzahl der Kinder ab, so dass Familienhaushalte, in denen beide Elternteile mit ihren Kindern zusammenleben nicht per se öfter armutsgefährdet sind als Haushalte ohne Kinder.
Verfestigt hat sich 2022 die Armutsgefährdung von Menschen im Seniorinnen- und Seniorenalter. Wie erstmals schon 2020 fiel der Anteil der armutsgefährdeten Menschen ab 65 Jahren in Niedersachsen mit 17,9% überdurchschnittlich hoch aus. Beim getrennten Blick auf Frauen und Männer zeigt sich jedoch ein klarer Unterschied: Ab 65-jährige Frauen waren schon seit 2010 überdurchschnittlich oft armutsgefährdet, 2022 traf dies auf jede Fünfte (20,0%) zu, während gleichaltrige Männer mit 15,5% ein deutlich niedrigeres Armutsrisiko aufwiesen. Im Durchschnitt über alle Altersgruppen war die Differenz zwischen diesen beiden Geschlechtern geringer (Männer: 15,9%; Frauen 18,3%).
Die Reichtumsquote lag 2022 in Niedersachsen bei 7,3%, in Deutschland insgesamt lag der Wert bei 7,7%.
Auf Leistungen der Grundsicherung im Alter waren in Niedersachsen am 31.12.2021 insgesamt 59.435 Menschen angewiesen, die die Regelaltersgrenze zum Renteneintritt erreicht hatten. Gegenüber dem Vorjahr stieg ihre Zahl um 5,6%. Die Quote, bezogen auf die gleichaltrige Bevölkerung im Rentenalter, betrug 3,4%.
Dagegen sank die Zahl der Empfängerinnen und Empfänger von Mindestsicherungsleistungen insgesamt um 4,3% auf 655.534, dem tiefsten Stand seit Beginn der Statistik 2006. Die Quote verringerte sich ebenfalls und erreichte mit 8,2% ebenfalls einen Tiefststand.
Bedingt durch die Alterung der Gesellschaft gibt es auch immer mehr Pflegebedürftige. In Niedersachsen verdoppelte sich die Zahl der Pflegebedürftigen von 2011 bis 2021 auf 542.904 Menschen, womit der Anteil an der Bevölkerung von 3,5% auf 6,8% gestiegen ist. Pflegebedürftig sind dabei mehrheitlich Frauen, da ihre Lebenserwartung höher ausfällt als die der Männer.
Auch zum Thema Miete und Wohnen finden sich Daten in der HSBN. Danach war 2022 mehr als jeder achte Haushalt (12,8%) in Niedersachsen mit den Wohnkosten überbelastet, die Kosten machten also mindestens 40% des Nettohaushaltseinkommens aus. Zum anderen weist der Indikator zur Wohnraumüberbelegung auf enge Wohnverhältnisse hin, die auch als Ausdruck des angespannten Wohnungsmarkts gesehen werden können.
Daten bis auf Ebene der Einheits- und Samtgemeinden in Nieder-sachsen finden Sie in unserer Online-Datenbank:
www.statistik.niedersachsen.de > LSN-Online-Datenbank > Statistische Erhebung > 255 Soziale Mindestsicherung
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